Auf verschlungenen Wegen zur Erbschaft im Apoldaer Amateurtheater
Apoldaer Amateurtheater bringt „Das Haus in
Montevideo“ von Curt Goetz mit sinnigem Witz auf die Bühne
21. Februar 2017 / 02:30 Uhr
Apolda. Am Ende wird alles gut. Professor Traugott Hermann Nägler,
alias Joachim Treiber, wird trotz seiner zwölf unehelichen Kinder von
seiner Frau Marianne (Helga Schnetter) geheiratet. Die gute Seele hat mit
den vielen Kindern vollauf zu tun – "Was für ein Stress, wenn man
da nicht ab und an mal ins Wochenbett käme ..." –, steht aber treu
hinter ihrem Mann.
Geheiratet wird jedenfalls am Ende des Abends im Schloss Apolda quasi
zum zweiten Mal, nachdem sich die (erste) Trauung zwischen den beiden, die
einst vor vielen Jahren auf dem vermeintlichen Schiff Atlanta quasi auf
offener See vollzogen wurde, nachträglich als ungültig herausgestellt
hatte. Ein Schock für den sich tugendhaft Dünkenden. Ausgerechnet durch
den peinlichen Umstand glückt dann aber nach einigen lustigen
Verwicklungen doch die üppige Erbschaft.
Denn Traugotts Schwester hat ihm beziehungsweise seiner Familie gemäß
des Stücks "Das Haus in Montevideo" nach Curt Goetz nicht nur
eine Immobilie hinterlassen, sondern eben auch jede Menge Bargeld. Aber
dieses listig mit einer Bedingung verknüpft, die Traugott, der das Erbe
angesichts einer recht klammen Familienkasse insgeheim natürlich gern
hätte, zunächst vor Probleme stellt. Dabei wäre er doch so gern alle
finanziellen Sorgen los und obendrein umjubelter Wohltäter der Stadt, der
den Traugott-Hermann-Tunnel in Apolda finanziert.
Inszeniert wurde das köstliche Kammerspiel von Spielleiterin Dr. Erika
Block fürs Apoldaer Amateurtheater. Bereits die Premiere wurde ein
großer Erfolg, füllten die bekannten Hobby-Schauspieler die kleinen und
großen Rollen doch wieder in vielen Nuancen ganz wunderbar aus. So
paradierte Mario Schiege die Sprache näselnd hervor quetschend als Pastor
Riesling, der den Hausherrn zur Annahme der Erbschaft in Montevideo
überreden will. Der indes möchte zunächst gar nichts davon wissen,
schließlich verstieß er die unglückselige Schwester einst aus der
Familie als untugendhaft, weil diese mit 17 ("diese Dirne") ein
uneheliches Kind geboren hatte. Dass sie später als Sängerin zu Reichtum
kam, sie eine Stiftung zur Unterstützung und Erziehung junger Mädchen
einrichtete, war dann doch eine Überraschung. Und noch mehr: Um der
Familie ihres Bruders die Erbschaft zukommen zu lassen, muss ein ebenso
unehrenhaftes Ereignis wie es ihr widerfuhr in der Familie von Traugott
eintreten. Die älteste, wohlerzogene und nickelbebrillte Tochter Atlanta
(Ann-Sophie Schiege) müsste also, um die testamentarische Bedingung zu
erfüllen, zügig schwanger werden, eben ein uneheliches Kind bekommen.
Die weiß natürlich von nix: "Was denn für ´ne Frucht ...?"
Traugott, der die Korrektheit und Würde wie eine Monstranz vor sich
herzutragen scheint, ist nun, welch Wunder, offensichtlich alles recht,
wobei er den Schwiegersohn in spe in die Pflicht nehmen will. Diesen
"scheinheiligen, zweizylindrigen" Ingenieur, den Amors Pfeil
längst getroffen hat und der vor lauter Respekt vorm Professor fast die
Hosennaht zerreibt, gibt André Weinberger höchst charmant und unbedarft.
Nach und nach entspinnt sich eine wunderbare Geschichte, die mit
witzigen Passagen nur so gespickt ist. In Montevideo, wohin das Publikum
mittels eines an einer Wäscheleine hängenden Passagierschiffs fantasiert
wird, kommt Traugott denn nun also doch in Südamerika an. Empfangen wird
er dort unter anderem von Madame de la Rocco, eine Vertraute der
Verblichenen. Gespielt wird de la Rocco von Ilka Müller, die der Figur
einen hübschen Akzent verpasst. Auch Peter Thieme sorgt als
Bürgermeister mit Krawatte in den Apoldaer Farben für Spaß, zumal er
Witze zu erzählen versteht.
Alles gut heißt es am Schluss. Die Familie kann erben. Tochter Atlanta
bleibt der Tugend verpflichtet. Und der Professor gelangt zur Erkenntnis,
dass sein einst über die Schwester gefälltes Urteil ein großer Fehler
war.
Kurzum: Jeder, der eine Karte für eine der Aufführungen ergattern
konnte, kann sich auf einen kurzweiligen Abend mit dem Haus in Montevideo
freuen. Das Amateurtheater bleibt sich treu. – Und ist nach wie vor eine
Bereicherung für die Kultur in Apolda.
Dirk Lorenz-Bauer / 21.02.17 |