Amateurtheater mit Spielfreude und pointierten Dialogen
Dirk Lorenz-Bauer
24.01.2020, 20:28
Apolda. Wer die Qualität des Apoldaer Amateurtheaters kennt, weiß:
Aufführungsabende sind Hochgenuss. Nun startet neu: „Kein Problem, Herr
Kommissar!“.

Die erfahrenen
Schauspieler Joachim Treiber, alias Kommissar Harry Baxter, und Lily
Piper, wunderbar verkörpert durch Helga Schnetter, im neuen Stück „Kein
Problem, Herr Kommissar!" von Jack Popplewell. Bis Ende April wird die
Kriminalkomödie an diversen Wochenenden in Apoldas Schloss aufgeführt.
Foto: Dirk Lorenz-Bauer
Ein
Dutzend Darsteller umfasst das Personaltableau für das Kriminalstück
„Kein Problem, Herr Kommissar!“, mit dem das Apoldaer Amateurtheater
(AAT) am Samstagabend im Schlosssaal Premiere feiert. Mit dabei sein
werden in Apolda weithin bekannte Schauspieler wie Joachim Treiber,
Mario Schiege, Helga Schnetter, Martin Vollrath.
Das
Stück des englischen Schriftstellers und Stückeschreibers Jack
Popplewell hatte Spielleiter Lukas Reuter ausgewählt. Es wurde ein wenig
an die Bedürfnisse des AAT angepasst, weshalb es eine zusätzliche Rolle
gibt. Mehr mochte Reuter auf Nachfrage nicht preisgeben, um den
Spannungsbogen noch etwas zu halten. Dass man das Stück, das in den
1970er-Jahren angesiedelt ist, etwas anpasste, hat mit der hiesigen
Gepflogenheit zu tun, möglichst alle im Ensemble am Spiel zu beteiligen.
Apropos: Die langjährige Spielleiterin Erika Block hat den Staffelstab
längst an ihre fähigen Nachfolger übergeben. Sie steht bei Bedarf aber
nach wie vor mit ihrem Rat und ihrer Erfahrung zur Verfügung.
Indes, die Aufführung eines Popplewell-Stücks gibt es beim AAT nicht zum
ersten Mal. Bereits Mitte der 2000er-Jahre reüssierten die Schauspieler
mit „Brave Diebe“, 2012 folgte „Keine Leiche ohne Lilly“ und nun starte
man mit einem weiteren seiner populären Stücke durch. Zum Inhalt soll,
auf Bitten der Theaterleute, vorher noch nicht so viel verraten werden.
Kein Problem. Die Generalprobe am Freitagabend jedenfalls lässt schon
mal auf ganz wunderbare Aufführungswochenenden hoffen, die bis zum 26.
April reichen. Alle sind restlos ausverkauft!
Mit
dem Stück werden keine weltbewegenden Botschaften transportiert.
Vielmehr geht es abwechslungsreich, pointiert und lustig zu. Ein Genuss
ist das! Das sei schon verraten.
Die
über Jahre hinweg konstante Qualität der Aufführungen ist dem Talent der
Charakterdarsteller geschuldet und dem unermüdlichen Proben zu
verdanken. So begannen die Proben fürs neue Stück im Frühjahr 2019 und
damit quasi parallel zum damals noch laufenden Stück „Hokuspokus“ von
Curt Goetz. Und was unterscheidet die Schauspieler des AAT von Profis?
Im Prinzip nichts, außer der Tatsache, dass diese mit ihrer Kunst ihren
Lebensunterhalt verdienen, meint Lukas Reuter selbstbewusst. Dass er
damit recht hat, das möchte man angesichts dessen, was da wieder mit
großer Leidenschaft und Können auf die Kleinstadtbühne gezaubert wurde,
gar nicht anzweifeln.
Auch die Kostüme, die Kulissen und die in jeder Szene spürbare
Spielfreude bestätigen einmal mehr: Wer eine Karte ergattern konnte,
Glückspilz sei er genannt.
Thüringer Allgemeine vom
24.01.2020
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Apolda reißt sich um sein Amateurtheater
Heitere Aufführungen lange im voraus ausverkauft – so auch bei der
aktuaellen Krimikomödie
Von Michael Helbíng
Apolda. In der ersten Pause gibt's an diesem Abend Premierengeschenke:
fürs Publikum! Spielleiter Lukas Reuter geht mit einer Kiste
Whisky-Fläschchen reihum, Ablehnen gilt nicht. Denn wie sagte Lily
Piper, Hausmeistergattin und Putzfrau, soeben auf der Bühne, als sie
gebeten wurde, die Lieferung einer Kiste Whisky zu empfangen: „Das wären
dann ja wohl die ersten Getränke, die ich nicht annehme.“ Die Frau
stolpert manchmal über die blöde Treppe, ist aber kaum auf den Mund
gefallen. Lieber fährt sie anderen über denselben. Hochprozentiges ist
eines ihrer Laster, Krimis auch. Ein weiteres: unverblümte, ziemlich
distanzlose Neugier. „Die scheint“, heißt es, „über alles und jeden hier
im Haus Bescheid zu wissen.“ Derart ausgestattet, wird sie binnen einer
Woche im August einen Kriminalfall aufklären, in den sie selbst ein
wenig verstrickt ist. Gleichsam als leicht naive, aber durchaus nicht
unbedarfte Stiefschwester Miss Marples ruft sie: „Kein Problem, Herr
Kommissarl“
Das
iın Deutschen so betitelte Stück von 1975 stammt aus der Feder des
Engländers Iack Popplewell, der mit solide gebauten Kriminalkomödien vor
allen im Boulevardtheater und später im Fernsehen reüssierte - und seit
2005 beim Apoldaer Amateurtheater. Es spielt zum dritten Mal einen
Popplewell.
In
vergangenen Jahren standen häufiger Komödien von Curt Goetz auf dem
Spielplan, aber auch von Oscar Wilde und George Bernhard Shaw. Die
Truppe will, liest man iın Intemet, „stets heitere, aber nie seichte
Unterhaltung bieten“. Das hat sich in der Stadt längst herumgesprochen.
Die insgesamt zwölf bis Ende April angesetzten Vorstellungen im 100
Plätze fassenden Saal des Schlosses waren lange vor der Premiere
ausverkauft. An einem Sonntagmorgen Anfang Dezember bildete sich, drei
Stunden vor Beginn des Kartenverkaufes, eine lange Schlange vor dem
„Buchladen“ in der Innenstadt, so als hätte sich mindestens Roland
Kaiser angekündigt. Einen Tag später schon war das letzte Kärtchen weg.
Das Publikum verspricht sich vom Amateuıtheater munteren Zeitvertreib.
Und den bekommt es: mit einem Ausflug in die Ästhetik der Siebzigerjahre,
als zum Beispiel, das wird eine Rolle spielen, Telefone mit
Konferenzschaltung der allerneueste Technikschrei waren,
Das
Ganze spielt im obersten Stockwerk eines Londoner Bürohauses, wo eine
Firma, bei der Lily putzt, mit zunächst noch vier Teilhabern ihren Sitz
hat. Der oder die erste von ihnen wird nicht einmal das erste von sieben
Bildern überleben. Und Lily wischt die Sauerei auf dem Sehreibtisch
unvermittelt weg, bevor ııoch die Polizei vor Ort ist.
Das
Amateurtheater hat das Stück hier und dort gerafft, umgeschrieben, etwas
abgestaubt und überhaupt an seine Bedürfnisse angepasst. Sie spielen zum
Teil in schrillen, quietschbunten, scheußllich-schönen Kleidern und
Anzügen, die in einigem Kontrast zu der doch einigermaßen nüchternen
Spielweise stehen.
Es
beginnt noch recht verhalten, fast etwas behäbig. Aber es nimmt
allmählich Fahrt auf und kommt in Fluss. Ein wenig mehr überzeichnet
könnten die Figuren schon sein, so wie es zwei der acht Darsteller
vormachen: Diana Thein als Amy, die ziemlich aufgedrehte Nichte Lilys
und nicht die hellste Kerze auf der Torte, und Mario Schiege als
Inspektor Goddard, der einen lustig verschämten Flirt mit Amy wagt, die
ohnehin in ihn verschossen ist. Joachim Treibers leicht vertrottelter
Kommissar Baxter holt sich ein unbeabsichtigtes Veilchen von Lily ab,
die ihn sonst vor allem nervt. Helga Schnetter bleibt als Lily vor allem
die Ruhe selbst, auch bei kleinen Texthängern. Insgesamt vielleicht eiln
bisschen zu ruhig, hat sie doch hübsche Momente hinterlistig trockenen
Humors. Die Aufführung giıfelt im krachend lustigen
Theater-im-Theater-Finale, in dem zwei Morde mit verteilten und
verwirrend vertauschten Rollen nachgespielt ınd aufgeklärt werden.
Lukas Reuter hat hier, nach vielen Iahren unter Erika Block, erstmals
die Spielleitung übernommen. Der Ingenieur für Wasserwirtschaft
stolperte einst eher zufällig ins Amateurtheather, erst zur Technik,
dann auf die Bühne. Weitere Ingenieure, ein Lehrer, eine
Kindergärtnerin, ein Möbelbauer und eine Schülerin gehören unter anderem
zum Ensemble. Fin Stück wie dieses hier könnten sie, ginge es nach den
Apoldaern, doppelt so oft spielen. Aber das ist zeitlich nicht zu
leisten.
Dies hier ist gewiss nicht der Ort, an dem Tlieater neu erfunden wird.
Hier pflegen sie, wie auch andernorts in Thüringen, seit über zwanzig
Iahren eine Spieltradition und übernehmen eine verbindende Funktion im
Kulturleben einer kleinen Stadt. Amateur- oder Laientheater, sprach
Brecht 1952, hätten im Grunde dieselbe Verpflichtung wie Berufstheater:
„nämlich dem Publikum das Bestmögliehe zu geben.“
Dem
folgen sie in Apolda zweifellos.
Thüringer
Allgemeine, Rubrik „Kultur & Freizeit“, 28.01.2020
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